Artikel aus der Oldenburger Volkszeitung
23.12.1992
Familientreffen der Lameyer
Kreis Vechta – Anlass zu einem Treffen von Vertretern der evangelischen und katholischen Familienzweige der Familie Lameyer war ein Besuch von iberoamerikanischen Cousinen, die den Kontakt zur Stammheimat suchten. Prof. Dr. Eulalia Lameyer-Lob von der Universität Brasilia, Fernanda Lameyer-Gallo von der Unesco in Paris und Isabella Lameyer-Bugalo de Castello Vide aus Portugal nahmen Quartier bei ihrem Vetter Dr. Joh. Lameyer in Oldenburg.
Die südamerikanischen Lameyer sind um 1850 über die Lissaboner Niederlassung der Kaufherren- und Senatorenfamilie Lameyer aus Bremen nach Rio de Janeiro gekommen, Sie gehörten bald zu den führenden Familien in Brasilien und sind dort mit mehreren Vertretern in der brasilianischen Enzyklopädie erwähnt. Unter anderem wurde das erste große Trockendock des Subkontinents mit dem Namen „Estaleiro-Lameyer” in Rio de Janeiro von einem Angehörigen der Familie gebaut und betrieben.
Mit Hilfe der mehrbändigen Familiengeschichte von Vetter Pastor i. R. H. Lameyer aus Oldenburg war es leicht, den verzweigten Verbindungen nachzuspüren. So besuchten die überseeischen Cousinen natürlich den seit 1375 in Familienbesitz befindlichen Stammhof, den Lahof bei Bassum. Da die Familie im 17. Jahrhundert eine bedeutende Rolle in den zu Bassum gehörenden Ortsteilen Loge und Freudenberg spielte, vielfach mit den regionalen Adelsfamilien versippt war, gehörten auch Besuche in der Stiftkirche und dem adeligen Damenstift in Bassum zum Besuchsprogramm.
In der Hansestadt Bremen interessierten natürlich die alten Grabsteine in der Liebfrauenkirche und die Wappentafeln der Dom-Akademie im Bremer Dom. Die Familie war dort über Jahrhunderte mit dem Ehrenamt von Bauherren und Diakonen am Dom betraut. Als Großkaufleute und Mitglieder der sogenannten „Englischen Companie” waren sie Vorsteher und Schaffer im „Haus Seefahrt”. Aus den silbernen Seefahrtspokalen mit dem Lameyerschen Wappen wird noch alljährlich bei der Schaffermahlzeit geprostet und getrunken.
Die letzte direkte Nachfahrin dieses Familienzweiges, Angela Gräfin Mittrowsky von Mittrowitz geb. Lameyer ist leider vor wenigen Wochen in hohem Alter in Baden-Baden gestorben.
Da die ursprünglich evangelischen brasilianischen Lameyer durch die Verbindungen mit der Oberschicht in Rio de Janeiro zum römisch-katholischen Glauben konvertierten, interessieren hier natürlich auch die Südoldenburger Verwandten, aus deren Reihe viele Kanoniker, Pfarrer und Ordensleute der katholischen Kirche hervorgegangen sind. Durch die regionalen Gegebenheiten der Grafschaft Hoya und des Bistums Münster hatten sich nach der Reformation katholische und evangelische Familienzweige entwickelt, ohne dass die familiären Beziehungen dadurch gestört wurden.
Bekannt ist, dass der Pfarrherr und Kanoniker am Alexanderstift Franz Wilhelm Lameyer aus Dinklage, im 18. Jahrhundert den Streit mit seinen geistlichen Behörden und selbst eine Inhaftierung in der Zitadelle in Vechta in Kauf nahm, weil er die Verbindung zu seinen evangelischen Verwandten in Bremen höher stellte als bischöfliche Anweisungen. Einen Franziskaner, der ihn auf seine „ketzerische“ Verwandtschaft ansprach, quittierte er mit einigen kräftigen Maulschellen. Gleichzeitig verfasste er noch erhaltene theologische Streitschriften gegen Bremer reformierte Geistliche, die keinen Zweifel an seiner Glaubenstreue ließen. Ein gutes frühes Beispiel ökumenischer Toleranz.
Neben all diesen geschichtlichen Reminiszenzen war das vorweihnachtliche Bremen und Oldenburg natürlich Anziehungspunkte für die überseeischen Cousinen, die voller neuer Eindrücke und Erfahrungen den Heimflug antraten.
Eine Beleidigung,wie z.B. Ketzer, darf nach unserem heutigen Strafrecht mit einfacher Gewalt, ein paar leichte Maulschellen, besser bekannt als Ohrfeigen, beantwortet werden. Würden dabei jedoch Füllungen aus den Zähnen fliegen ginge das zu weit.